Wandern entspannt und erdet mich. Warum ich nicht viel häufiger ein Auto leihe um in Bremens Umgebung zu wandern – weiß ich eigentlich auch nicht. Letztens war es so weit, ich wollte einfach um den Bullensee rumlaufen. Und merkte, dass die Gegend mehr kann als ich dachte. [Werbung – unbezahlt]
Ich weiß gar nicht, wie ich auf den Bullensee in Rotenburg (Wümme) kam. Vielleicht, weil ich ihn von Verwandtenbesuchen in meiner Kindheit noch kenne, und weil man sich im fortgeschrittenen Alter mehr an die Vergangenheit erinnert. Oder, weil ich irgendwo (war es bei Wanderklaus auf Instagram?) gelesen habe, dass es dort einen schönen Wanderweg gibt. Jedenfalls ist der Bullensee nicht so weit von Bremen entfernt, und Wasser ist immer gut.
Vor Ort wurde ich ganz schön überrascht. Denn es gibt die mir bislang unbekannten Nordpfade: Unverlaufbar beschilderte und – jedenfalls in diesem Fall – top gepflegte Flachland-Wanderrouten in der Region. Mein Weg „um’m Bullensee rum“ hat sogar einen Namen: Dör’t Moor – die Große Moorrunde. Und hat viel mehr mit Moor (nämlich dem Großen und Weißen Moor) als mit dem Bullensee selbst zu tun, den es einmal groß und einmal klein gibt.
Wenn man das Schild nicht nur fasziniert fotografiert, sondern auch studiert, dann startet man die Flachland-Wanderung links herum. Wir, denn der Mann kam mit, liefen den Weg gegen den Uhrzeigersinn. Was aber auch nicht schlecht ist, und ebenso gut beschildert. Eventuell ist die Dramaturgie etwas anders, und der Rastplatz kommt ein wenig zu früh. Egal. Auf geht es auf eine Tour für Genießer: nur 10,3 km, 3,5 Stunden, für durchschnittliche Kondition gut geeignet.
Von Moorseen und Heidelandschaften
Die Tour startet am Großen Bullensee, in dem man auch wunderbar baden kann. Da es dort einen großen Parkplatz gibt macht es Sinn, sich Badesachen und ein schönes Picknick ins Auto zu packen, um sich am Ende zu erfrischen und zu stärken. Wir waren Ende September bei herrlichem Wetter da, dann ging das mit dem Baden wirklich noch; das war direkt vor der Schietwetter-Phase. Wobei: Das Schietwetter brauchte die Natur dringend, denn ihr seht auf den Fotos einen gefühlt nur halb gefüllten Bullensee und ein trockenes Moor …
Überall an der Strecke gibt es Tafeln vom NABU, die über die Natur, Flora und Fauna aufklären. Wenn man die alle liest, dann braucht man glatt eine Stunde länger.
Der Kleine Bullensee ist nicht zum Baden geeignet, er gehört ganz der Tierwelt und ist wirklich idyllisch.
Danach öffnet sich die Landschaft. Vor wenigen Wochen, zur Heide-Hauptblüte, muss das noch schöner ausgesehen haben. Inzwischen war die Heide fast verblüht, die Bienen waren scheinbar aus ihren Stöcken ausgezogen.
Von Wäldern und Gräbern
Immer wieder (die Fotos sind nicht chronologisch sortiert) geht es durch Waldabschnitte. Über normalerweise nasse Stellen führen Stege oder Brücken, viele Wegabschnitte sind mit Holzhäckseln präpariert. Der ganze Weg ist wirklich super gepflegt. Bei der Sonne waren diese schattige Abschnitte sehr angenehm, und das Lichtspiel ist halt immer wieder klasse.
Die Grabhügel aus der Jungsteinzeit – fünf von ursprünglich elf sind noch erhalten – sind vor Ort gut auszumachen. Auf dem Foto hier erschließt sich die Bedeutung des Hügels nicht sofort.
Am Schafstall Spieker bietet sich eine Pause an. Man kann sich dorthin auch ein Picknick bestellen, eine super Idee. Dort stehen allerlei Gerätschaften rum, und es gibt schöne Sitzgelegenheiten. Übrigens gibt es auf der ganzen Tour Bänke, so dass man sich immer wieder ausruhen und besonders schöne Ausblicke genießen kann. Was noch perfekter wäre, das wäre so eine geschwungene Liegebank, wie ich sie aus den Bergen kenne; dann kann man fein die Füße hochlegen.
Von Flora und Fauna
Das Große und Weiße Moor ist ein Naturschutzgebiet und gehört zu den besonders gut erhaltenen Hochmooren Niedersachsens. Hier gibt es eine spezielle Pflanzenwelt.
Und was wäre ein Artikel von mir ohne Verweis auf Bier? Überraschend entdeckten wir den Gagelstrauch. Man wurde geradezu aufgefordert, ein Blatt zu zerreiben und daran zu riechen, das war wirklich klasse. Was für ein Duft! Früher wurden die Blätter oft an Stelle von Hopfen in den Biersud gegeben. Der Hopfen kam ja sowieso erst später auf. Blöd nur, dass Gagel auch giftig sein soll. Sicher macht die Dosis auch hier das Gift, sonst würde auf Jütland nicht heute noch Gagel-Schnaps hergestellt werden. Gagel wurde am Niederrhein auch Grut genannt, daher stammt der Begriff Grutbier. Ein Bier, das ich auch immer noch einmal brauen möchte, mit allerlei Kräuterzeug. Mit Kräutern braue ich ja häufiger, habe aber noch nie den Hopfen damit ersetzt. Wenn ihr mal reines Wildkräuter-Bier (das in Deutschland nicht Bier genannt werden darf) ausprobieren möchtet, dann testet doch mal G.broi von Pia.
Bei manchen Pflanzen am Wegesrand muss man etwas genauer hinsehen, die sind nicht so groß. Hier ein paar herbstliche Eindrücke von der gesamten Wanderung.
Und dann gibt es natürlich auch die Tiere. Schafe sind immer wieder schön, diese natürlichen Landschaftspfleger. Oder die schwarzen Rinder, die Rasse habe ich vergessen. Der Bulle (der dem Bullensee alle Ehre machte) war ganz schön platt. Die Jungtiere und schwangeren Kühe lassen darauf schließen, dass er ordentlich mit seiner Fortpflanzung zu tun hatte, und jetzt einen auf Pascha macht. Auf jeden Fall waren die Rinder ganz schön neugierig, fast alle kamen um zu schauen, wer denn da so lang läuft.
Von Wegen und Aussichten
Die Wege sind wirklich gut beschildert, in beide Richtungen. Und gut zu laufen. Sehr gut gefallen hat mir der geringe Anteil an Asphalt und die – für mich überraschend – abwechslungsreiche Natur.
Eigentlich am Anfang der Route – und für uns am Ende – gibt es einen Moor-Lehrpfad. Der Torfweg auf dem folgenden Bild gehört dazu. Dieser Lehrpfad macht am Anfang mehr Sinn, wenn man noch nicht so lange unterwegs ist. 3,5 Stunden sind zwar nicht viel, aber wir hatten keine Pause gemacht und einen wahnsinnigen Kaffeedurst. Zudem war der ganze Weg super ruhig, in großen Teilen waren wir alleine. Und dann am Lehrpfad – eine Schulklasse oder so. Um es diplomatisch auszudrücken: Es war zu lebendig dort. Ein Grund, noch einmal wieder zu kommen. Vor allem auch dann, wenn das Moor nicht trocken ist und der Schwingboden seinem Namen alle Ehre macht.
Na ja, eine Rast machten wir doch, eine ganz kleine. Auf der hohen Bank, mit Blick auf das Moor. Das war wohl der schönste Platz auf der Route. Der Platz, an dem ich erst richtig dachte: Hach, wie schön das hier ist. Den schönsten Platz hatte aber das junge Glück neben uns, das die ganze Zeit knutschte und kuschelte. Die Bänke waren übrigens so weit auseinander, dass jeder seine Ruhe hatte und den anderen nicht direkt beobachten konnte, wirklich schön. Normalerweise soll man nicht auf diesen grün-gelben Bewuchs schauen, sondern auf Wasser mit Totholz drin. Da zeigt sich auch der Klimawandel. Wo das Moor doch so immens wichtig ist für unser Klima … Auch an den Aussichtspunkten waren wir immer alleine, und konnten so ungestört die wunderbaren Ausblicke genießen. Nur Vögel sahen wir nicht, dafür hatten wir aber wohl auch zu wenig Geduld.
Dann kamen wir zurück zum Bullensee. Mit Bude, die Kaffee und Kuchen für uns hatte, und gerade noch zwei Stühle. Ein Traum. Wenn man richtig herum läuft, dann kann man am Ende der Route gut einen Abstecher zum Hartmannshof machen. Das Café ist auch sehr schön, wir fuhren dort mit dem Auto hin, auf ’ne Limo. Hätte ich Salat oder anderes Gemüse haben wollen, dann hätte ich das dort auch gleich kaufen können, wie praktisch. Die Hühner hörten dort Radio. Wie sich Heavy Metal wohl auf die Qualität der Eier auswirkt?
Am Schluss liefen wir dann noch über den eigentlichen Grund des Sees. Links im Panorama ist noch der Steg zu erahnen, der die Wasserkante nicht erreichte. Das war echt kein schönes Bild. Insofern kann man sagen: Endlich Regen, Regen, Regen! Und man kann sagen: Die Gegend kann tatsächlich einiges.
Hier ist die Route der großen Moorrunde – in der eigentlich vorgesehenen Richtung. Nicht von mir eingestellt, ich habe es mir leicht gemacht und diese vom Touristikverband übernommen. Man kann die Runde auch auf 7,5 km und ca. 2,5 Stunden Gehzeit abkürzen, indem man in der Mitte den Butterweg nimmt, den ihr in der Karte leicht erkennen könnt. Dann heißt es, na wie? Kleine Moorrunde. Und es gibt auch noch kleinere Touren, die wirklich nur um’m Bullensee rum gehen. Alle Varianten findet ihr beim beim NABU Rotenburg. Und den NORDPFADE-Tourenbegleiter bekommt ihr beim Touristikverband.
Weitere Wanderwege, Beschreibungen, gpx-Daten und mehr findet ihr auf der Seite nordwaerts.de.
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Anke von Kolczynski
Hallo Ingrid,
heute habe ich den Bericht über den Bullensee gelesen. Einfach super.
Meine Kindheit.. Wir waren früher immer da zu schwimmen usw.
Viele Grüße Anke
schaedelmaedel
Hallo Anke, es freut mich dass dir mein Bericht gefällt und du an schöne Kindheitstage erinnert wirst. Viele Grüße, Ingrid