Vor fast einem Jahr habe ich nun über die Unterwelt von Neapel berichtet. Nun endlich erfahrt ihr ein wenig mehr über eins der dort kurz beschriebenen Highlights: den Cimitero delle Fontanelle. Ein Friedhof, der meine Seele berührt hat. [Werbung – unbezahlt]
Der Friedhof Fontanelle ist ein Beinhaus, wie es sie in ganz Europa gibt oder gab, nur größer. Ein Massengrab, das von den Leiden der Stadt erzählt. Die Geschichte geht zurück ins 16. Jahrhundert.
Tuffstein wurde hier für den Bau der Stadt abgebaut. In den entstandenen Höhlen begrub man zuerst diejenigen, für die auf den Friedhöfen der Kirchen in der Stadt kein Platz war. 1654 wurde die Höhle an der Via Fontanelle offiziell zum Friedhof. Die Pest raffte zu der Zeit mehr als die Hälfte der 400.000 Einwohner Neapels dahin. Es folgten Volksaufstände, Hungersnöte und Vulkanausbrüche, und 1837 die Cholera.
Erst 1872 sortierte Don Barbati die Gebeine zusammen mit Frauen der Gemeinde in der heutigen Form, und machte den Friedhof öffentlich zugänglich. Na ja, wie so oft haben die Frauen wahrscheinlich die Mammut-Arbeit geleistet. Und ich bin ihnen sehr dankbar dafür, denn so habe ich dieses einmalige Erlebnis gehabt.
Auf 3.000 Quadratmetern sind rund 40.000 Gebeinsteile zu sehen. Das hört sich nun schräg an, warum sollte man sich so etwas anschauen? Ganz einfach: Die Präsentation der Gebeine hat eine besondere Ästhetik. Da ist nichts eklig, und es ist auch keine Horrorshow. Ich habe mich gefragt, was für Menschen das wohl waren. Warum Ihnen Bahnkarten (für die Rückfahrt!?), Zigaretten oder Tortenböden gebracht wurden. Und warum wurden einige besonders gebettet, oder in einen Kasten platziert? Auch Zettel mit Bitten oder Danksagungen waren zu sehen. Das hängt wohl wieder mit den Frauen zusammen, die deren Gebeine reinigten und sortierten. Sie beteten dabei, um die Verstorbenen vor Fegefeuer und Hölle zu bewahren. Und bitteten die Verstorbenen um diverse Dinge. Wenn die Wünsche in Erfüllung gingen, dann wurde den Gebeinen des „adoptierten“ Verstorbenen Gutes getan. Und auch heute noch werden Schädel adoptiert, um Hilfe gebeten, und dann mit allerlei Dingen belohnt. So ist dieser Ort der Toten auch heute noch in berührender Weise lebendig.
Der Besuch ist zwar inzwischen mehr als ein Jahr her, aber ich fühle immer noch die ganz besondere Stimmung dort, und bin erfüllt von der besonderen Ausprägung der Gläubigkeit, gespickt mit ordentlich Esoterik. Wirklich einmalig.
Der Eintritt ist kostenlos. Bitte glaubt niemandem, der euch Tickets verkaufen möchte. Allerdings macht es Sinn, sich einer Führung anzuschließen. Wir haben das nicht gemacht, und damit viele Kleinigkeiten sicher übersehen, spannende Geschichten nicht gehört. Weitere Infos inklusive Öffnungszeiten findet ihr auf den Seiten Catacombe di Napoli und Cimitero Fontanelle.
Eine ganz wunderbare Darstellung könnt ihr auch auf der Seite Visit Naples lesen. Sie wurde von Katherine Wilson geschrieben, die mit ihrem Sohn dort war. Die Amerikanerin schreibt sehr lebendig und mir aus dem Herzen.
Und hier geht es zurück zum Hauptartikel über Neapels Unterwelt. Dort ist auch ein Film mit weiteren Infos zum Friedhof eingebettet.
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Isi
Wir waren im Oktober 2022 in Neapel und wollten unbedingt diesen einzigartigen Friedhof anschauen. Leider ist dieser bis auf weiteres geschlossen. Die Einwohner meinten es ist kein Geld für die Erhaltung vorhanden.
schaedelmaedel
Das ist aber schade!
Neapel - Lasciate ogni speranza, voi ch'entrate! (Mai 2019) › Antje Kröger | Fotokünstlerin
[…] https://schaedelmaedel.de/neapel-fontanelle/ […]
Steffi
wow, das sieht ja wirklich gruselig aus! Aber auch super interessant. Werde ich mir für die nächste Italienreise auf alle Fälle auf den Zettel schreiben. LG Steffi
schaedelmaedel
Liebe Steffi,
danke! Du wirst dich garantiert nicht gruseln, sondern nur beeindruckt sein.
Viele Grüße, Ingrid