Eigentlich wollte ich einen Beitrag über ein Bremer Original schreiben, in dem ihr Grab eine Nebenrolle spielt: Fisch-Lucie. Aber eine Begegnung auf dem Friedhof Buntentor führte dazu, diesem mehr Raum zu geben.
Fisch-Lucie – eine starke Frau mit Herz, Verstand und großer Schnauze
Fisch-Lucie war eine Powerfrau aus der Neustadt. Lucie Henriette Flechtmann hieß sie, verwitwete Lorenz, geborene Hartig.
1850 wurde sie als Tochter eines Fischhändlers geboren und hatte aus zwei Ehen selbst 17 Kinder. Ihr Leben war unvorstellbar arbeitsreich. Als selbständige und geschäftstüchtige Fischhändlerin betrieb sie einen Stand auf dem Marktplatz. Um den frischesten Fisch vermarkten zu können kaufte sie ein Boot und fuhr früh morgens den Fischern entgegen, um die besten Exemplare direkt zu ergattern. Sie sponsorte einen Fußballverein, war herzensgut zu den Armen und nahm kein Blatt vor den Mund bei den „feinen Leuten“. Und bei Streitigkeiten wurde ihr Fisch auch mal zur Waffe. Man vertraute der schlagfertigen Lucie, sie war sehr beliebt. So sehr, dass der Friedhof die große Trauergemeinde bei ihrer Beerdigung im Jahr 1921 gar nicht aufnehmen konnte.
Heute erinnert der Lucie-Flechtmann-Platz in der Neustadt an diese großartige Frau. Auf dem Platz hat sich ein Urban Gardening-Projekt angesiedelt: „Ab geht die Lucie!„. Das hätte ihr sicher gefallen.
Wer mehr über diese und weitere Bremer Persönlichkeiten erfahren möchte, sollte ins Geschichtenhaus im Schnoor gehen. Eine Schauspielerin alias Fisch-Lucie erzählt euch dort etwas von sich.
Der Friedhof Buntentor – Ruhestätte von Fisch-Lucie
Der Friedhof liegt mitten im Buntentor. Auf der Suche nach dem Grab von Fisch-Lucie bin ich dem verantwortlichen Herrn vom Umweltbetrieb Bremen begegnet, und dieser entpuppte sich als super netter Spezialist für die lokale Geschichte.
In einem Buch über Lucie Flechtmann, so sagte er, sei ein falsches Grab abgedruckt worden. Der Fisch darauf wurde nicht richtig interpretiert. Heute weiß man, oder geht davon aus, dass Lucie im Familiengrab Joh. Flechtmann beigesetzt wurde. Das Grab befindet sich auf dem Gräberfeld 15 oder 16, wenn ich mich recht erinnere. Aber schaut selbst, der Friedhof ist nicht groß – jedoch groß genug um dort ein wenig Ruhe zu finden.
Mein großes Glück war, dass ich kurz in die Kapelle schauen konnte. Toll sieht es aus wenn die Sonne von hinten durch die gelben Scheiben scheint. Dafür war es beim Fototermin aber noch zu früh am Tag. Ursprünglich war die Zuwegung zur Kapelle mittig angelegt, wie ein Archiv-Foto an der Bürowand zeigt. Beim Wiederaufbau wurde die Zuwegung an beiden Seiten angelegt, der grundsätzliche Aufbau wurde aber dem alten nachempfunden. Schade, dass es die alten schmucken Mauern nicht mehr gibt.
Bestattungen finden nur noch selten auf diesem ältesten kommunalen Friedhof Bremens statt; seit 1822 existiert er. Aufgrund der Bodenverhältnisse können nur noch Beisetzungen in Urnen oder gemauerten Gruften vorgenommen werden. Eine Ausnahme bilden auch die traditionellen Beisetzungen der Sinti und Roma. Ich erfahre, dass der Mittelbereich des Friedhofs derart lehmig ist, dass auch uralte Särge noch aussehen wie neu. Und die Personen in den Särgen sind durch den schweren feuchten Boden mumifiziert. Mir selbst macht der schwere Boden nur im Garten zu schaffen; glücklicherweise gab es bei uns bisher nur abgeknabberte Hühnerknochen.
Schön ist, dass sich der Umweltbetrieb Bremen immer, wenn es möglich ist, selbst um alte erhaltenswerte Gräber kümmert. Damit behält der Friedhof seinen besonderen Charme. Mir gefällt aber auch der Schmuck an den Gedenkplatten der Urnengräber in der Mauer.
Die Mauer mit den Urnennischen ist etwas ganz Besonderes. Unsere Nachbarn von gegenüber, die ihre Gärten zur Mauer hin haben, müssen sich immer daran erinnern nichts mit zu langen Schrauben an der Wand zu befestigen. 🙂
Immer wieder lief mir ein Eichhörnchen über den Weg. Ein Glück, dass ich es noch im Weglaufen mit der Kamera erwischen konnte.
Es war für mich ein kleiner Ausflug. In eine Naturidylle und einen Ort der Ruhe gleich um die Ecke. In die Gedanken über den Tod, der uns ja irgendwann allen bevorsteht. Und in die vergangene Welt einer starken Frau, die ich sehr bewundere. Viele ihrer Eigenschaften machen sie zu einem Vorbild für mich, aber ihre 17 Kinder – die möchte ich wirklich nicht haben. Da sagt aber auch meine biologische Uhr: Geht nicht. Meine Armbanduhr sagt, dass ich jetzt leider los muss, auch ein bisschen geschäftstüchtig sein.
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