Der Spätsommer war heiß, der Durst groß. Allzu schnell steigt der Alkohol bei der Hitze in den Kopf, was mich dazu brachte ein Leichtbier zu brauen. In Schweden kann Bier bis 3,5 % Alkohol, sogenanntens Folköl, frei verkauft werden. Diese Marke wollte ich unterbieten.
Leichtbier mit Frucht und Körper
Die große Frage bei Leichtbier ist: Wie bekomme ich es hin, dass das Bier auch wirklich nach etwas schmeckt? Ich wünschte mir ein erfrischendes und fruchtiges Bier mit Körper. Für letzteren sollten einerseits Roggenflocken dienen, die ein Bier viskoser machen, also hoffentlich weniger wässrig im Geschmack. Das zweite Hilfsmittel war Milchzucker. Dieser wird nicht vergoren, hebt aber den Geschmack. Die Menge war nicht allzu groß, weil das Bier nicht zu süß geraten sollte. Auch die Zugabe der Malzsorte Cara Crystal sollte dem gewünschten Effekt dienen.
Schon lange wollte ich ein Bier mit meiner heiß geliebten Maracuja brauen. Ich dachte, dies würde hier besonders gut passen. Die Säure harmoniert gut mit dem Milchzucker, so meine Überlegung. Und ein leichtes Sommerbier kann gut fruchtige Aromen vertragen. Passionsfrucht hatte gerade noch Saison, dennoch hat die Menge an Südfrüchten dazu geführt, dass dies das teuerste Möckernbräu aller Zeiten wurde.
Die Frage war: Kochen oder stopfen? Ich entschied mich für Letzteres. Um auszuschließen dass Wildhefen das Ergebnis verändern, wurden die Früchte vor dem Aufschneiden mit kochendem Wasser gut abgebrüht. Dann erst habe ich sie mit einem sterilen Messer aufgeschnitten und – in einer großen Gewürzkugel – in den Gäreimer gegeben.
Meistens ist Olaf ja der Chef in der Brauküche, diesmal war ich aber wieder deutlich aktiver dabei, denn es war maßgeblich mein Rezept.
Als wir kurz später etwas Jungbier probierten merkten wir, dass die Maracuja nicht wirklich zu schmecken war. Die Aromen sind sehr flüchtig, die Zugabe war wohl etwas verfrüht. Also kam das Innere weiterer Früchte einen Tag vor der Abfüllung zusätzlich in den Sud.
Erschwerend war beim Brauen, dass ich die Malzmenge nicht verringerte, sondern mit mehr Nachguss arbeiten wollte. Das tat ich auch, es war aber vielleicht nicht ganz so intelligent. Eigentlich sollte die Malzmenge für einen besseren Geschmack eher verringert werden, zu viel Nachguss ist nicht optimal. Und am Ende führte das endliche Fassungsvermögen des Gäreimers dazu, dass nicht so viel Nachguss wie geplant möglich war, was ich einfach nicht beachtet hatte. Zuerst schien dies ein Problem zu sein; mein Leichtbier würde bestimmt über 3,5 % Umdrehungen haben, dachte ich. Etwas traurig war ich schon, aber zu Unrecht. Später kam heraus, dass es nur 2,9 % hat. Und es schmeckte ein wenig nach Limo. Auf jeden Fall hätte es nicht mehr Wasser vertragen. Puh. Wie immer, wenn man glaubt dass etwas schiefgeht: Ruhe bewahren und weiter experimentieren!
Wer denkt, dass solch ein leichtes Bier nicht so lange reifen muss wie andere, der irrt. Zuerst überwog die Enttäuschung, solch ein limonadenartiges Getränk in (durch den Nachguss) besonders großer Menge hergestellt zu haben. Aus dieser Enttäuschung heraus kam die Idee, es als Cocktail zu verfeinern, aufzuzuckern (was nicht umgesetzt wurde) oder noch eine zweite Gärung nachzuschieben. Die Sache mit dem Cocktail und der zweiten Gärung findet ihr weiter unten.
Beim Heimbrauer-Stammtisch kam das Bier erstaunlich gut an. Nach inzwischen mehreren Wochen hatte es es sich auch wirklich noch positiv entwickelt. Die Maracuja wurde, ohne Hinweis darauf, herausgeschmeckt. Und auch Heimbrauer-Kollegen, die sonst eher gehaltvollere Tropfen brauen, mochten dieses, Zitat, „feine Tröpfchen“. Das hat mich riesig gefreut. Ein bisschen Limo ist es, wie ich finde, allerdings immer noch.
Übrigens war mein Experiment auch ein bisschen eine Antwort auf die immer stärkeren Craftbiere. In der Craft Bier Bar freue ich mich oft auf ein schönes Stout um die 5 %, ohne den Zusatz „Imperial“ und mehr als 8 % geht aber meistens wenig. Das ist nicht nur für meinen Schädel zu viel, es schmeckt mir persönlich auch selten.
Auf jeden Fall passt das Leichtbier wunderbar zu einem sommerlichen Stopp am Werdersee. Der halbe Liter dieses Durstlöschers steigt einem wirklich nicht zu Kopf, das Radfahren danach – kein Problem. Auch als After-Work-Brandlöscher von Handwerkehr-Kehlen hat es schon gute Dienste geleistet.
Daten und Fakten
Brautag 12.08.2018
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- Malz: Weizen hell, Wiener, Cara Crystal
- Hopfen: Palisade, Magnum (Pellets)
- Hefe: Mangrove Jack’s M20 Bavarian Wheat (obergärige Trockenhefe)
- Sonstiges: Roggenflocken, Milchzucker, insgesamt 6 Maracujas
- Ergebnis: sehr leicht, fruchtig und etwas an Limonade oder Fruchtsaft erinnernd, erfrischend, Maracuja kommt leicht durch
- Stammwürze: 9,7 %
- Alkoholgehalt: 2,9 %
Cocktail mit Bier und Sekt
Um das anfänglich nicht so spektakuläre Bier zu pimpen, mischte ich es mit Sekt. Etwa 2/3 Bier, 1/3 trockener Sekt. Die reife Nektarine passte wunderbar dazu. Kennt man ja von der Geschmacksrichtung Pfirsich-Maracuja. Na ja, ist vielleicht kein richtiger Cocktail, aber ein Bier-Mischgetränk der besonderen Art. Sehr lecker!
FlipFlop – die zweite Gärung
Zuerst überlegten wir, ob wir nachzuckern sollten. Das hatten wir noch nie gemacht, und bedeutet, dass man die Flaschen öffnet und Zucker hineingibt. Man hofft dabei, dass noch lebende Hefe im Bier ist, welche den Zucker in zusätzlichen Alkohol umwandelt. Dann ist es kein Folköl mehr, aber der Alkohol ist Geschmacksträger, das Bier würde also eventuell leckerer werden.
Aber Olaf hatte inzwischen einen kleinen Sud mit Wildhopfen angesetzt. Über den schreibe ich später. Dieser musste abgefüllt werden, die Hefe war also verfügbar. So entschieden wir beide, acht Liter FlipFlop auf die noch frische Hefe zu schütten. Diese brauchte aber neue Nahrung. Wir lösten einen Rest Gerstenmalzextrakt – 200 Gramm – in Wasser auf, den ich mal für Biersenf gekauft hatte. Gefühlt reichte das noch nicht ganz, also kam noch ein wenig Honig, der zudem noch weitere Aromen ins Bier bringt, dazu. Zwei gehäufte Teelöffel.
Gärung und Reifung erfolgten nun komplett neu. In eine Flasche haben wir Rosmarin gegeben, in eine Zitronenthymian, im Rest der Menge war nichts weiter drin. Auf Thymian kamen wir, als wir das Thymian-Bier in der Provence getrunken hatten.
Ein Vergleich zwischen der letzten Flasche FlipFlop#1, die ihren geschmacklichen Zenit gerade überschritten zu haben schien, und einer Flasche FlipFlop#2, die gerade rund einen Monat in der Nachgärung war, stand an.
Das kräuterlose FlipFlop#2 seht ihr im Bild rechts. Es ist dunkler, hat mehr Schaum und rund 5% Alkohol. Die Farbe und der kräftigere sowie süßere Geschmack kommen vor allem vom Malzextrakt. Auch der höhere Alkoholgehalt hebt den Geschmack. Uns hat die Version 2 besser geschmeckt und gezeigt, dass man sicher auch bei schlecht gelungenen Suden mit einer zweiten Gärung noch viel retten kann. Der erste Sud war im nachhinein gesehen zwar gar nicht misslungen, dies schien zum Testmoment aber noch so zu sein. FlipFlop#1 steht tatsächlich für den Sommer, FlipFlop#2 passt zum Herbst.
Kräuter im Bier sind immer spannend. Wichtig: Vor dem Stopfen abkochen, um die Wildhefen abzutöten. Beide waren lecker. Olaf schmeckte Rosmarin etwas besser, mir Zitronenthymian. Einzelne Flaschen mit den Kräutern zu stopfen ist natürlich prima, wenn man erst einmal testen möchte. Wir überlegen schon, was wir noch alles im Garten ernten und ins Bier packen könnten …
Daten und Fakten
Zweite Gärung 22.09.2018
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- Hefe aus dem Gärfass: Danstar Nottingham Ale Hefe (obergärige Trockenhefe)
- Sonstiges: FlipFlop, Gerstenmalzextrakt, Honig, Wasser
- Ergebnis: siehe oben
- Alkoholgehalt: nicht ermittelt, geschätzt ca. 5%
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